Ein Missverständnis mit Tradition?
Vortrag
am So. 13.03. um 18 Uhr im „Il Corvo“
Mozartstr.12 Innsbruck
Edward Saids Orientalism, das eine der wichtigsten geisteswissenschaftlichen Interventionen in die Diskurse des 20. Jahrhunderts darstellt und zurecht als Gründungsdokument der Postcolonial Studies bezeichnet wird, hat entsprechend auch Eingang in die feministische Theorie gefunden. Doch so wichtig das Werk als politische Intervention war, so fragwürdig und umstritten ist seine methodische Schlüssigkeit und damit seine Aussagekraft. Said selbst war sich diesen Mangels durchaus noch bewusst – im Gegensatz zu seinen poststrukturalistischen Erb*innen, deren identitäre Differenzsucht und essentialistische Kulturalismen das linke Spiegelbild der rechten Identitären darstellen. Eine genauere Beschäftigung mit diesem Schlüsseltext der Postmoderne und seinen Ursprüngen bei Foucault und Nietzsche kann Licht auf dieses Phänomen werfen, indem sie zeigt, dass es quasi nicht möglich ist, sich auf Orientalism zu beziehen, ohne sich selbst in Widersprüche und theoretische Sackgassen zu verstricken. Genau diese Widersprüchlichkeit kennzeichnet den zeitgenössischen, postkolonial geprägten Feminismus mit seinem Fokus auf Identität, Differenz, Privileg, Kultur und Sprechort. Er hat an die Dekonstruktion von Identität und Differenz nicht deren Aufhebung angeschlossen, sondern ihre Idealisierung. Diese Idealisierung der Differenz geht bis zur Reproduktion dessen, was Said in seinem Werk überwinden wollte – Orientalismus – und führt zur feministischen Entsolidarisierung im Kampf gegen das transnationale Patriarchat.
Der Vortrag wird beleuchten, warum das so ist, und dabei dem Thema wie dem Werk „Orientalismus“, von seinen ideengeschichtlichen Wurzeln bis hin zu seinem teils entstellten Weiterleben in der Analyse gegenwärtiger Geschlechterverhältnisse, auf den Grund gehen, um mit Said festzustellen, dass die Begriffe ‚Orientalism’ und ‚Westen’ zusammenfallen.